Die Stadt Köln ist eine der ersten deutschen Großstädte, die einen sogenannten Bürgerhaushalt eingeführt hat, um Bürger und Bürgerinnen der Stadt am Prozess des lokalen Haushalts zu beteiligen. Die Einbindung der Ideen und Vorschläge der Partizipierenden erfolgt dabei im Wesentlichen über eine Onlineplattform. Das abschließende Resultat fließt in die Beratungen und Diskussionen im Rat der Stadt um den Haushalt ein, jedoch bleiben die Ratsmitglieder, nicht zuletzt auch aus rechtlichen Gründen, in ihren Entscheidungen frei und sind nicht an die Ergebnisse gebunden.
Probleme und Beweggründe
Akteure in der Politik und Entscheidungsträger sehen sich heutzutage mit einer wachsenden Kritik konfrontiert, eine zu hohe Distanz zu Bürgern zu haben und ihrer Integrationsfunktion für die Gesellschaft nicht mehr genügend nachzukommen. Zusätzlich werden Sachverhalte und Dinge über die entschieden werden muss komplexer und schwerer zu überschauen. Nicht zuletzt aus diesen Gründen wird von einigen eine engere und direktere Einbindung von Bürgern in politische Entscheidungsprozesse gefordert. Den Bürgerhaushalt kann man nun genau in diesen Diskurs einordnen und als Instrument für tiefergehende Partizipationsmöglichkeiten sehen. Es wird die Möglichkeit eingeräumt, auf lokaler Ebene die Politik zu beraten und Vorschläge für wichtige Teilbereiche der städtischen Politik zu unterbreiten. Ziel ist es, die Akzeptanz und Legitimität von Entscheidungen zu erhöhen und gleichzeitig möglicherweise auch Entscheidungsergebnisse zu verbessern, da auf Expertise bei den Bürgern zurückgegriffen worden ist. Möglichst viele Vorschläge sollten zunächst gehört werden, um ein möglichst plurales Bild über die Vorstellungen der Bürger zu erhalten und um zu verhindern, dass kleinere Teilgruppen zu viel Einfluss nehmen. Letztlich ist zudem ein wünschenswertes Ziel, die Transparenz über Entscheidungsprozesse zu erhöhen und so besser zu vermitteln wie bestimmte Ergebnisse zu Stande kommen. Nutzerfreundlichkeit für ein standardisiertes und möglichst nicht zu komplexes Verfahren um Bürger einzubinden sind weitere Gründe für die Durchführung des Bürgerhaushalts (Knobloch, Krohn, Taubert, 2011, S.31 ff.).
Hintergrundgeschichte und Kontext
Die Stadt Köln ist eine der ersten deutschen Großstädte, die einen sogenannten Bürgerhaushalt eingeführt hat, um Bürger und Bürgerinnen der Stadt am Prozess des lokalen Haushalts zu beteiligen. Im Jahr 2008 gab es den Piloten und mittlerweile sind fünf weitere Runden abgeschlossen.
Veranlassende Körperschaften und Finanzierung
Der Bürgerhaushalt wird federführend von der Stadtverwaltung Köln finanziert, organisiert und durchgeführt. Aber auch externe Dienstleister und Akteure sind beteiligt. So ist die Agentur „zebralog“ vor allem für die konkrete Durchführung und die Moderation des Verfahrens zuständig, während das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) für die Auswertung der Daten verantwortlich ist. Wie bereits erwähnt, wurde die Evaluation des Verfahrens von der Stadt an das Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT) der Universität Bielefeld übertragen.
Teilnehmerauswahl
Das Verfahren ist grundsätzlich für jeden offen. Für die Teilhabe ist eine Registrierung auf der Onlineseite notwendig, bei der soziodemografische Daten freiwillig angegeben werden konnten. Insgesamt haben 9.887 Menschen sich beteiligt und es konnte eine vergleichsweise breite und ausgeglichene Verteilung verschiedener Bevölkerungsteile konstatiert werden. Es überwiegt allerdings ein deutlicher Anteil an Personen mit höheren Bildungsabschlüssen, wie dies bei den meisten anderen Verfahren und bei politischer Partizipation generell der Fall ist. Dies gilt auch für die Aktivitätsmuster aus der Grundgesamtheit. Nur 6,5% aller Registrierten haben Vorschläge unterbreitet und 15% haben diese kommentiert. Es konnte eine sehr stark aktive Gruppe von 30 Personen ausgemacht werden, auf die ein Großteil an Vorschlägen und Kommentaren entfällt. Grundsätzlich sind Vorschläge und Kommentare auch deutlich häufiger von Männer verfasst. Bei den Abstimmungen wiederum haben dann ca. 90% aller Nutzer mitgemacht.
Methoden und Werkzeuge verwendet
Bürgerhaushalt war die Hauptmethode.
Damit weniger Internetaffine auch die Möglichkeit hatten zu partizipieren, gab es kostenfreie Terminals über die die Plattform erreichbar war. Auch nicht digitale eingereichte Beiträge wurden angenommen und dann auf die Seite eingestellt (Knobloch, Krohn, Taubert, 2011, S.36 ff.).
Erwägungen, Entscheidungen, und Umgang mit der Öffentlichkeit
Die Beteiligungsoptionen bestehen aus drei Mechanismen: Vorschläge und Kommentare zu bestimmten, vordefinierten Themenbereichen und Abstimmen mit einer Pro oder Contra Stimme. Die Beiträge mit der besten Pro Stimmen Differenz werden auf einer Bestenliste ausgewiesen und werden nach der Beteiligungsphase von der Verwaltung geprüft, ob diese durchführbar sind. Anschließend können sie im normalen politischen Entscheidungsprozess Eingang durch die Ratsmitglieder finden oder eben auch nicht. Sollte es zu Umsetzungen von Bürgervorschlägen gekommen sein, so wird dies unter anderem auf der Plattform kommuniziert. Um eine möglichst hohe Mobilisierung zu erreichen, sind verschiedenste PR und Werbemaßnahmen ergriffen worden, sowohl in den klassischen Massenmedien als auch im Internet. Auch Informationsveranstaltungen für Bürger hat es gegeben. Die Effektivität einzelner Maßnahmen kann sicher entweder erhöht oder in Frage gestellt werden, insgesamt zeigt die relativ hohe Anzahl an Registrierungen im Vergleich zu anderen politischen Beteiligungsverfahren, dass das Verfahren im Großen und Ganzen bei relativ vielen Kölner Bürgern bekannt gewesen ist.
Einfluss, Ergebnisse und Effekte
Insgesamt hat es 1.254 Vorschläge mit 4.562 Kommentaren gegeben und ein wesentlich größerer Anteil der Stimmen waren Pro Stimmen (ca. 85%) als Contra Stimmen. Vor allem die Themenbereiche Schule und Bildung sowie Umweltschutz sind bedient worden. Vergleichsweise viele der Vorschläge haben es auf die Bestenliste geschafft, da nur eine recht geringe Stimmendifferenz bereits ausgereicht hat, um auf die Anzahltechnisch recht großzügig ausgelegten Bestenlisten zu gelangen (Knobloch, Krohn, Taubert, 2011, S. 46 ff.). Die Verwaltung der Stadt sieht die Durchführung und die Resultate als gelungen an und verweist darauf, dass in der Folgezeigt einige der Vorschläge tatsächlich Eingang in den Haushalt gefunden haben.
Analyse und Kritik
Die gesetzten Ziele und gewollten Resultate der Stadt Köln zum Bürgerhaushalt 2010 sind durchaus ambitioniert gewählt gewesen. Dementsprechend fällt die Bewertung, ob diese erreicht worden sind, ambivalent aus. Insgesamt sind die drei Hauptakteure Verwaltung, Politiker und Bürger vom Gesamtkonzept angetan und zufrieden, was Umfragen aus der Evaluation zeigen und die Motivation auch in Folgejahren einen Bürgerhaushalt durchzuführen war bei einer Mehrheit gegeben (Knobloch, Krohn, Taubert, 2011, S.59 ff.). Positiv anzumerken ist die recht hohe Beteiligungsrate und die Ausgeglichenheit zwischen den Geschlechtern. Allerdings bleiben höhere Bildungsabschlüsse überrepräsentiert und die Verteilung zwischen den Stadtteilen ist ebenfalls sehr divergent. Problematisch muss auf jeden Fall der sehr geringe Anteil an denjenigen, die Vorschläge formulieren und Kommentare verfassen, gesehen werden. Die Gefahr, dass die formulierten Vorschläge damit nicht unbedingt repräsentativ sein müssen ist gegeben, allerdings hebt sich dies durch immerhin große Abstimmungsraten etwas auf. Der größte Kritikpunkt richtet sich an den Umgang mit den Ergebnissen durch die Politik und wird vor allem von Bürgerseite vorgetragen. Es scheint kommunikativ nicht deutlich und transparent genug anzukommen, dass Vorschläge durchaus auch umgesetzt werden. Hier sollte es Verbesserungen geben, damit Akzeptant, Legitimität und Motivation zur Teilhabe am Verfahren bei den Partizipierenden erhalten bleiben (Knobloch, Krohn, Taubert, 2011, S. 117 f.).
Alles in allem kann der Bürgerhaushalt 2010 dem Ziel Bürger einzubinden und deren Expertise für den eigenen Haushalt zu nutzen jedoch gerecht werden. Es bietet sich an, die in den Folgejahren stattgefunden Haushalte zu analysieren und Entwicklungstendenzen in den einzelnen Bereichen miteinander zu vergleichen.
Sekundärquellen
Knobloch, Tobias, Krohn, Wolfgang, and Taubert, Niels. (2011). Evaluierung des Kölner Bürgerhaushalts. Kassel University Press GmbH.
Externe Links
https://buergerhaushalt.stadt-koeln.de/2015/ (zuletzt geprüft am: 23.11.2015)