Daten

Persönlich, Online oder Beides?
Beide
Allgemeiner Methodentyp
Deliberativer und dialogischer Prozess
Interne Verwaltung oder Organisation
Informelle Beteiligung
Offen für Alle oder limitiert für Einige?
Offen für alle
Rekrutierungsmethode für begrenzte Teilmenge der Bevölkerung
Zufallsstichprobe
Interaktionsformen zwischen Teilnehmer*innen
Schauspiel, Drama oder Rollenspiel
Storytelling/ Geschichten erzählen
Diskussion, Dialog oder Beratung
Unterstützung
Ja
Entscheidungsmethoden
Meinungsumfrage
Ideengenerierung
Polarisationsgrad, den diese Methode bewältigen kann.
Hohe Polarisation
Komplexitätsgrad, den diese Methode bewältigen kann.
Sehr hohe Komplexität

METHODE

Deliberatives Delphi

24. März 2022 groetker
11. November 2021 groetker
Persönlich, Online oder Beides?
Beide
Allgemeiner Methodentyp
Deliberativer und dialogischer Prozess
Interne Verwaltung oder Organisation
Informelle Beteiligung
Offen für Alle oder limitiert für Einige?
Offen für alle
Rekrutierungsmethode für begrenzte Teilmenge der Bevölkerung
Zufallsstichprobe
Interaktionsformen zwischen Teilnehmer*innen
Schauspiel, Drama oder Rollenspiel
Storytelling/ Geschichten erzählen
Diskussion, Dialog oder Beratung
Unterstützung
Ja
Entscheidungsmethoden
Meinungsumfrage
Ideengenerierung
Polarisationsgrad, den diese Methode bewältigen kann.
Hohe Polarisation
Komplexitätsgrad, den diese Methode bewältigen kann.
Sehr hohe Komplexität

Das Deliberative Delphi (Bürgerdelphi) ist ein qualitatives Co-Creation- und Beteiligungsverfahren für Stakeholder- und Expertenkonsultationen. Bei der Auswertung kommen speziell an Zielfindung, Maßnahmenplanung und Lösungsskizzierung angepasste Analysemethoden zum Einsatz.

Was wird ermöglicht?

Das Deliberative Delphi (Bürgerdelphi) ist ein qualitatives Co-Creation- und Beteiligungsverfahren für Stakeholderbefragungen und Expertenkonsultationen. Bei der Auswertung kommen speziell an Zielfindung, Maßnahmenplanung und Lösungsskizzierung angepasste Analysemethoden zum Einsatz. Charakteristisch ist zum einen der Einsatz von Mini-Workshops („Remote-Phase“) als primärem Kommunikationsmittel, zum anderen die Verwendung von Debatten- und Rollenspiel-Formaten. Methodisch ist das Deliberative Delphi eine Variante des Insights-Konsultationsprozesses.

Resultat eines Deliberativen Delphis sind, wie bei jedem Insights-Prozess, Erkenntnisse. Eine Erkenntnis kann die Form eines konkreten Einzelhinweises zur Lösung eines Problems oder einer Aufgabe haben oder in einem umfassenden Bild bestehen, welches die Lösungskomponenten im Zusammenhang darstellt. Mit dem Fokus auf Erkenntnisse unterscheidet sich ein Deliberatives Delphi deutlich von Meinungsumfragen, wo Menge und Anteil abgegebener Stimmen entscheidungsrelevant sind. Auf der anderen Seite unterscheidet sich das Deliberative Delphi aber auch von Beteiligungsformaten, in denen Gruppen von Teilnehmenden gemeinsam und im Konsens Lösungen erarbeiten. Bei einem Deliberativen Delphi steuern Teilnehmende stattdessen Teile eines Puzzles zur Lösung einer Aufgabenstellung oder eines Problems bei. Beteiligung geschieht hier im Modus der Mitwirkung oder der Kontribution. Für Beteiligte, aber auch für Außenstehende, ist transparent nachvollziehbar, auf welchen Beiträgen die finalen Erkenntnisse beruhen. 

Wie’s funktioniert: Kurzanleitung in sechs Bausteinen

Dem eigentlichen Prozess vorgeschaltet ist die Auswahl oder Rekrutierung von Teilnehmenden. Diese konstituieren die Projektgruppe Idealerweise sollte dies eine Gruppe von 15 bis 25 Personen sein.


 1. Kick-off

Der Prozess startet mit einer Präsenzveranstaltung in Form eines Kreativworkshops. Im Rahmen des Workshops macht sich die Projektgruppe mit dem Thema vertraut und legen Schwerpunkte für die nachfolgende Remote-Phase fest.


 2. Remote-Phase

Während der anschließenden mehrwöchigen Remote-Phase führt das Moderationsteam wiederholte Mini-Workshops mit Mitgliedern der Projektgruppe durch. Als Gesprächsgrundlage für die Mini-Workshops erstellen die Moderator:innen redaktionelle Inhalte und bearbeiten Rechercheaufträge seitens der Teilnehmenden. Dabei kommen Debatten- und Rollenspielformate zum Einsatz, wie die Darstellung von Informationen in positionierter Form, das heißt als Pro- und Kontra-Beiträge. Ziel dieser Formate ist vor allem Teilnehmende auch emotional anzusprechen und dadurch inhaltlich stärker zu motivieren. Ein weiteres Ziel ist das Debiasing, das heißt, die Vermeidung oder Verminderung von kognitiven Verzerrungen wie dem Myside-Bias. Dieser führt dazu, dass vor allem Informationen wahrgenommen und verarbeitet werden, welche die eigene, vorgefasste Meinung bestätigen.

Neben zwei Moderator:innen (oder einer Moderator:in und einer Vertreter:in der beteiligenden Instanz) nehmen an jedem Mini-Workshop zwei bis vier, maximal fünf Gäste Teil. Der Workshop dauert eine Stunde.

Inhaltlich werden die Mini-Workshops als Leitfragen-Interview gestaltet. Für jeden Workshop zu einem gegebenen Thema werden die gleichen Leitfragen verwendet. Die Leitfragen greifen die Beteiligungsfrage aus der Online-Beteiligung aus, variieren diese im Wortlaut und gehen punktuell ins Detail. Die Workshops werden so moderiert, dass sie insgesamt mehr den Charakter eines Gespräches und eines gemeinsamen Austausches haben als den eines Interviews. 

Die Beiträge der Teilnehmenden werden als Mitschrift protokolliert. Dies geschieht in Form von stilisierten, das heißt nachempfundenen Zitaten, die den Inhalt eines Beitrages möglich knapp auf den Punkt bringen. Die Zitate werden nicht namentlich gekennzeichnet.

Workshop-Protokolle fassen jeweils Resultate aus dem gesamten Projektgruppe zusammen. Bevor eine neue Workshop-Runde startet, erhalten die Mitglieder der Projektgruppe die Zwischenresultate zur Einsicht.

Zu Anfang oder zu Ende jeder Workshoprunde kann außerdem eine quantitativ angelegte Befragung der Projektgruppe erfolgen – entweder in den Mini-Workshops oder als schriftliche Umfrage.


 3. Analyse

Nach Abschluss der Remote Phase (bzw. nach Abschluss jeder Etappe der Remote-Phase) werden die Beiträge der Teilnehmenden analysiert. Auf Basis der Analyse werden die Erkenntnisse erstellt.

Ein zentraler Aspekt der Analyse ist das Clustering von Beiträgen der Teilnehmenden oder von einzelnen Aussagen. Für inhaltliche anspruchsvollere Analysen verwendet man idealerweise Insights-Software oder gängigen Tools für die qualitative Inhaltsanalyse. Bei umfangreichen Konsultationen bietet es sich an, eine Software zu verwenden, die die Analyse durch Schlagwort-Suche oder Verfahren der Künstlichen Intelligenz unterstützt.

 

4. Erkenntnisse bilden

Die Resultate der Analyse sind Basis für die abschließenden Erkenntnisse. Eine Erkenntnis ist im einfachsten Fall eine Zusammenfassung von Teilnehmendenbeiträgen zu einer bestimmten Kategorie. Allerdings sollte die Moderation bemüht sein, Erkenntnisse deutlich von der Wiedergabe bloßer Meinungen abzugrenzen und in der Konsultation geäußerte Meinungen nicht unbedingt als Tatsachen zu behandeln. Wenn deutlich als solche erkennbare Meinungen im Spiel sind, dann können diese beispielsweise dadurch zu einer Erkenntnis werden, dass sie als Aufschluss über verschiedene Bedürfnisse und Wünsche innerhalb einer Zielgruppe interpretiert werden oder als eine Zusammenfassung davon gelesen werden, welche Ideen oder Argumente zumindest prima facie für erwägenswert gehalten werden. Erkenntnisse können auch darin bestehen, dass Teilnehmende in ihren Beiträgen Detailwissen beisteuern, dass vorher nicht bekannt oder vorher nicht ausreichend beachtet worden war.

Wie schon bei der Bildung der Kategorien, bietet es sich auch bei der Formulierung von Erkenntnissen an, mit einschlägigen Problemstrukturierungsverfahren zu arbeiten, wie „Problem/Lösung” oder „Pro/Kontra“. Auf diese Weise kann die einzelne Erkenntnis eine Binnenstruktur erhalten. 

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Ergebnisbericht

Ein Ergebnisbericht (siehe Beispiele, unten) fasst sowohl die qualitativen Erkenntnisse wie auch die Resultate der quantitativen Abfragen zusammen. Der Bericht wird vor Veröffentlichung mit den Teilnehmenden abgestimmt. 


Tipps

  • Sowohl bei der Kickoff-Veranstaltung wie bei den Miniworkshops bietet es sich oft an, die Teilnehmenden in kleine Spiele zu verwickeln. Eine Auswahl von Spielen, von denen einige für die Zwecke eines Deliberativen Delphis Prozess geeignet sind, bietet die Seite gamestorming.com
  • Methoden der Problemstrukturierung können sowohl verwendet werden, um zu einer guten Fragestellung zu finden als auch, um Erkenntnisse zu strukturieren.
  • Für viele thematische Anlässe gibt es hier so genannte Kanbans. Eine Auswahl davon findet sich in folgendem Toolkid der UK-Innovationsagentur Nesta: http://gonano-project.eu/wp-content/uploads/2018/05/DIY-Toolkit-Full-Download-A4-Size.pdf
  • Eine gute Einführung in Problemstruktierungsverfahren bietet das Moderationshandbuch von Wagner, H., Seifert, J. W., & Flockenhaus, U. (2009). Visualisieren - Präsentieren - Moderieren: Der Klassiker - 29. Auflage (23., unveränd. Aufl). GABAL sowie das Buchkapitel: Garrette, B., Phelps, C., & Sibony, O. (2018). „Structure the Problem: Analytical Frameworks”. In: Cracked it! (S. 95–116). Palgrave Macmillan, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-89375-4_6
  • Eine besonders gelungene Zusammenstellung von Verfahren der visualisierten Problemstrukturierung in Form von Diagrammen bietet das Büchlein: Eppler, M. J., Kernbach, S., & Pfister, R. A. (2016). Dynagrams- Denken in Stereo: Mit dynamischen Diagrammen schärfer denken, effizienter zusammenarbeiten und klarer kommunizieren. Schäffer Poeschel.
  • Eine Anleitung für Problemstrukturierung mit Diagrammen, die besonders geeignet sind für die Rekonstruktion von Meinungsverschiedenheiten findet sich in dem Zeitschriftenartikel: Grötker, R. (2021). „Argument Mapping & Co. - Visualisierte Problemstrukturierung zum Umgang mit Dissens und Ungewissheit“. OrganisationsEntwicklung, 40(2), 46–54. 

Warum ein Deliberatives Delphi? Sinn und Zweck

Das Deliberative Delphi ist ein Instrument, um von der so genannten „Weisheit der Vielen“ zu profitieren. Im Unterschied zum klassischen Ansatz der Weisheit der Vielen, der auf der Auswertung von quantitativen Informationen (nämlich der Durchschnittsbildung) basiert, werden in einem Deliberativen Delphi qualitative Informationen verarbeitet.

Konkrete Resultate eines Deliberativen Delphis können aus folgenden Elementen bestehen:

  • Erhebung deliberativer Einstellungen
  • Erhebung und Analyse (Codierung/Clustering) von vorgebrachten Argumenten
  • Priorisierung von Handlungsfeldern durch Teilnehmende
  • Multivariate Analyse von Antwortsequenzen: Gibt es erkennbare Muster darin, wie Teilnehmende eine Sequenz von Fragen beantworten?
  • Plausibilitätsprüfung von Argumenten
  • Bewertung von prima facie-Argumenten vs. alles-in-allem-betrachtet-Bewertungen; Erarbeitung von Kriterien zur Abwägung zwischen konkurrierenden Entscheidungsprinzipien
  • Analyse von Extremen im Konsens oder Dissens bei der Bewertung von Argumenten als Indikator für Ungewissheit im sachlichen Urteil
  • Plausibilitätsabschätzung für Zukunftsszenarien oder Schätzfragen (Stichwort „Weisheit der Vielen“)
  • Co-Creation von Produkten und Prozessen


Beispiele

Bürgerdelphi Keimbahntherapie: Muster in Antwortsequenzen

Beim Bürgerdelphi Keimbahntherapie (Buedeka) haben Teilnehmende sich eine Meinung zur gesetzlichen Regulierung der Keimbahntherapie gebildet. Die Keimbahntherapie (die am ungeborenen Embryo vorgenommen wird) zeichnet sich dadurch aus, dass sie Effekte für spätere Generationen hat. Dabei kann es sich um erwünschte Effekte handeln (wie die Reparatur von Erbkrankheiten) oder um unvorhergesehene unerwünschte Effekte. Eine Frage betraf die Regulierung der Grundlagenforschung in Deutschland. Die Frage war: Soll es Wissenschaftler:inn in Deutschland ermöglicht werden, sich an der Grundlageforschung zur Keimbahntherapie zu beteiligen?

15 von 20 Teilnehmenden (75 Prozent) sprachen sich dafür aus, Grundlagenforschung zur Keimbahntherapie auch in Deutschland zu ermöglichen. Interessant sind die für die Entscheidung genannten Gründe. Hier zeigt sich in interessantes Muster in den Antwortsequenzen. Es wird ersichtlich, dass Teilnehmende, die sich in anderen Meinungspunkten unterscheiden, dennoch in der Meinung zur Regulierung der Grundlagenforschung zusammenkommen – was auf einen interessanten Spielraum für mögliche Kompromisse hindeutet:

„Die Forschung wird voranschreiten, falls in Deutschland verboten, dann in anderen Ländern. Und es wäre sehr schade, wenn man weder als Wissenschaftlerin oder Wissen-schaftler noch als Gesetzgeber einen Einfluss darauf haben könnte. Es ist besser, die Grundlagenforschung bei uns kontrolliert und unter Auflagen zuzulassen, als dass sie irgendwo im Geheimen stattfindet.“

„Die Keimbahntherapie ist eine Chance, schwerste Erbkrankheiten wie Mukoviszidose zu heilen. Die bekannten Risiken lassen sich im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung hinreichend gut kontrollieren. Ein Verbot der Grundlagenforschung wäre unverhältnismäßig.“

 

KIRA: Co-Creation

In dem Projekt KIRA (Eine Konsultation von Stakeholdern, Expertinnen und Experten zu Künstlicher Intelligenz in der Radiologie – am Beispiel von Diagnose, Bildbefundung und Therapieempfehlung bei einer Herzsymptomatik) haben Teilnehmende in Co-Creation Lösungen für zuvor identifizierte Probleme skizziert. Ein Set von Lösung betraf das Problem der informierten Entscheidung. Eine informierte Entscheidung im medizinischen Kontext bedeutet, dass Wertvorstellungen von Patienten und Patientinnen in die Wahl von Diagnoseverfahren und Therapien mit ein bezogen werden. Als Teil des Bürgerdelphis wurden drei verschiedene Lösungsansätze für die informierte Entwicklung vorgeschlagen und in Skizzenform ausgearbeitet:

Variante A: Das KI-System unterstützt Arzt/ Ärztin bei der Wahl eines Diagnoseverfahrens, in dem das KI-System objektive Wahrscheinlichkeitszahlen zu Risiken des Diagnoseverfahrens, zur weiteren Entwicklung von Krankheitsverlauf und Therapiechancen zur Verfügung stellt. Ärzt:innen können diese Zahlen den Patient:innen mitteilen.

Variante B: Das KI-System unterstützt ärztliches Fachpersonal in der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, damit auf deren persönliche Präferenzen (die zuvor erhoben werden) angepasste Entscheidungen getroffen werden können.

Variante C: Das KI-System unterstützt Patientinnen und Patienten direkt bei ihren selbständigen Entscheidungen.

 

Bürgerdelphi Gesundheitsdaten: Abwägung zwischen konkurrierenden Entscheidungsprinzipien

Beim Bürgerdelphi Gesundheitsdaten haben Teilnehmende eine Position zu der Frage entwickelt, ob auf der elektronischen Patientenakte (ePA) gespeicherte Gesundheitsdaten in einem hypothetischen Szenario der Gesundheitsforschung frei zur Verfügung gestellt werden sollten – in der Form, dass Patient:innen, die dies nicht wünschen, aktiv widersprechen müssen. Eine solche Lösung wird als „Opt-out“-Modell bezeichnet.

Generell zeigen sich die Teilnehmenden gegenüber der Möglichkeit, ihre Gesundheitsdaten aus der ePA heraus der Forschung bereitzustellen, ohne Ausnahme aufgeschlossen. Auch eine Nutzung durch forschende Pharmaunternehmen befürwortet ein großer Teil der Teilnehmenden. Dennoch sprachen sich die Teilnehmenden mehrheitlich gegen die gesetzliche Einführung einer Opt-out-Lösung aus. Besonders stach die Beobachtung her- aus, dass sich die Teilnehmenden auch dann gegen eine Widerspruchslösung und gegen die Abschaffung der Zweckbindung aussprachen, wenn sie erwarteten, dass medizinische Daten den wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritt beschleunigen, und wenn sie einschätzten, dass ein Wechsel von einer Zuspruchs- zur Widerspruchslösung (also von Opt-in zu Opt-out) die Datenverfügbarkeit erheblich verbessern würde. Gründe auch für diese Haltung werden von den Teilnehmenden im Detail argumentativ dargelegt. Sie unterstreichen das Bedürfnis nach einer Lösung, die die konkurrierenden Werte individuelle Freiheit und gesellschaftlicher Nutzen austariert.

 

Appendix:

Methodenvergleich: Was unterscheidet das Deliberative Delphi von einem Bürgerrat?

Anders als der Bürgerrat, bei dem eine Gruppe von (meist per Los bestimmten) Teilnehmer:innen während eines Zeitfensters von einem Wochenende oder mehreren Tagessitzungen im Plenum zusammenkommt, arbeiten die Teilnehmenden beim Deliberative Delphi in wechselnder Besetzung in Mini-Workshops zusammen, die über einen Zeitraum von einigen Monaten hindurch durchgeführt werden.

Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Verfahren, was den Modus der gemeinsamen Arbeit betrifft. Während Bürgerrats-Verfahren sich des Modus des gemeinsamen Tuns (Collaboration) bedienen, erfolgt das Deliberative Delphi überwiegend im Modus der Mitwirkung (Kontribution). Bei der Collaboration werden Resultate von Team-Mitgliedern und Teilnehmenden weitgehend selbstständig erarbeitet; die Moderation übernimmt lediglich Verantwortung für die Prozessgestaltung und das Zeitmanagement. Bei der Kontribution ist der Grad der Mitwirkung geringer. Teilnehmende entscheiden beim Deliberativen Delphi zwar (anders als bei einer reinen Befragung) über die Themensetzung und über finale Beschlüsse und Positionen. Die Analyse der Teilnehmendenbeiträge und die Redaktion des Ergebnisberichts erfolgt durch das Moderationsteam. Die Anreizökonomie ist bei der Zusammenarbeit im Modus der Mitwirkung eine andere als im Modus des gemeinsamen Tuns. Gemeinsames Tun beruht auf gegenseitiger Leistung. Sobald die Gegenseitigkeit unterbrochen wird, stockt die Teamarbeit. Im Modus der Mitwirkung hingegen wechseln die Team-Mitglieder in die Rolle von Beratern und Unterstützern, die freiwillig ihre Expertise zur Verfügung stellen.

Entsprechend unterschieden sich auch die Resultate. Während Teilnehmende eines Bürgerdelphis meist im Konsens gemeinsam zu einer Entscheidung, geht das Deliberativen Delphi inhaltlich stärker in die Tiefe. Im Ergebnis zählt hier nicht die Meinungsfindung innerhalb der Gruppe, sondern die Erhebung von Argumenten und die detaillierte Ausarbeitung von Ideen (s.o., Warum ein Deliberatives Delphi?).